Wie Sie in 30 Minuten ein Outline für Ihren Roman schreiben, Teil 6
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Alle sieben Teile dieser Serie auf einen Blick:
Wenn Sie die ersten fünf Teile dieser Serie gelesen haben, dann wissen Sie bereits, dass:
- Sie keine Theorie zum Entwickeln Ihres Plots brauchen, solange Sie mit Iterativem Outlining arbeiten.
- Sie nach der 4. Iteration bereits alle wichtigen Punkte in Ihrem Outline stehen haben.
- Sie solange das Problem halbieren sollten, bis Sie es beherrschen können.
- Sie immer nur mit drei Punkten auf einmal arbeiten, von denen zwei bereits bekannt sind (Anfang + Ende => Mitte).
- Sie am Anfang jeder Iteration sich fragen, welches Ereignis dazu geführt hat, dass der Anfangszustand in den Endzustand überführt werden konnte.
- Sie am schnellsten voran kommen, wenn Sie vom Ende her beginnen.
- Sie bei dieser Methode immer wissen, welche Hinweise Sie brauchen, da Ihre Payoffs bereits an Ort und Stelle sind.
- Sie mit dem Iterativen Outlining Wünsche, Bedürfnisse und das Thema Ihrer Protagonisten aufdecken.
- Sie dabei die ersten Schritte in Richtung Worldbuilding machen.
- Sie mit derselben Methode Romane, Szenen und ganze Serien planen können.
Sie fragen sich, was es zum Thema Iteratives Outlining sonst noch zu sagen gibt?
Gute Frage. Lesen Sie weiter.
Generisches Outline
Erinnern Sie sich noch an das fertige Outline aus dem fünften Teil dieser Serie? Wenn nicht, dann lesen Sie die Originalvorlage bitte nochmal durch, bevor Sie hier weiter lesen. (Die Vorlage geht in einem neuen Fenster auf, damit Sie diese Seite hier nicht anschließend neu laden müssen.)
Was meinen Sie, wie viele Geschichten Sie auf Grund dieser Vorlage schreiben können? Eine? Zwei? Zwanzig?
Geben Sie eine Vorlage zehn Autoren und Sie werden mindestens zehn Geschichten zurück erhalten, denn jeder Autor bringt seine persönlichen Erfahrungen auf die eine oder andere Weise mit in die Geschichte ein. Doch das ist nicht alles. Diese Vorlage ist so generisch, dass jeder Autor daraus mehrere Geschichten entwickeln könnte.
Wie? Lesen Sie weiter.
Ein Outline mit tausend Ges(ch)ichte(r)n
Welchem Genre gehört eine Geschichte an, die nach dieser Vorlage entstehen würde?
- Eine Waise, eine böse Stiefmutter, ein strahlender Prinz — es muss ein Märchen sein!
- I wo, das ist eindeutig eine Dystopie, wo die armen Mädchen verschachert werden, wie auf einem Kuhmarkt. Unsere zögernde Heldin kämpft zunächst widerwillig, dann umso verbissener, um am Ende die Freiheit für sich und alle ihre Geschlechtsgenossinnen zu erreichen. Freiheit für die Frauen!
- Schmarrn, das ist eindeutig eine Romanze! Ich sehe sie schon in Highheels im Büro … oder doch in den Highlands … kann mich nicht entscheiden, könnte auch eine mittelalterliche Burg gewesen sein … Allerdings, ein wenig Erotik würde auch nicht stören …
- Mann, ihr habt doch alle keine Ahnung! Das ist definitiv ein Entwicklungsroman, das sieht doch jeder Blinde.
- Also Leute, seid ihr doof? Sie konnte doch gar nicht zu dieser spacigen Brautschau, weil sie auf einem total abgedrifteten Planeten (oder war das ein havariertes Spaceschiff?) lebt. Es muss SciFi sein.
- Ts ts ts, sie trägt doch Overknee-Stiefel unter ihrem Rock und einen Dolch in ihrem Mieder. Ist wohl so eine Art weiblicher D’Artagnan. Eindeutig ein Abenteuerroman.
- Hm, und wer hat die Protagonistin verraten? Weiß sie das wirklich? War das wirklich ihre böse Stiefmutter? Oder versucht eine geheime Organisation im Hintergrund die Weltherrschaft an sich zu reißen? Die überlassen nichts dem Zufall. Die überwachen sogar, wer sich mit wem paaren darf, ist das zu fassen? Da steckt doch garantiert eine Sekte dahinter! Und der Sugar Daddy ist der Oberboss, da verwette ich meinen Bart drauf! Und (das ist jetzt aber echt ein Spoiler): Die Protagonistin stammt garantiert vom Jesus ab … aller mindestens von einem der zwölf Apostel. Aber darauf bestehe ich! Es muss ein Thriller sein.
- Habt ihr die zwei Sonnen, drei Monde, den Fluch und die verschwundene Stadt vergessen? Und die böse Stiefmutter ist bestimmt eine Hexe. Das muss Fantasy sein.
- Sie ist doch sweet sixteen, total beladen mit Komplexen (die übrigens echt gar nicht stimmen, ich schwöre, sie sieht echt total süß aus, ich habe gar keine Ahnung, warum sie sich einbildet, hässlich zu sein)! Und dann trifft sie ihren voll süßen Vampiiiiir (Herzchen … Seufz … Klimperklimper).
Und obwohl ich hier gar nicht alle Genres aufgeführt habe, bin ich mir sicher, Sie können die Lücken mit Leichtigkeit schließen. Ist also das Generische an dieser Vorlage schlecht? Nein. Der Vorteil einer generischen Vorlage liegt darin, dass Sie Ihre Vorstellung kitzelt und neue Ideen sprießen lässt.
Je generischer Ihre Vorlage am Anfang ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Ihre fertige Geschichte einzigartig sein wird. Je generischer Ihre Vorlage, desto besser ist sie also.
Außer (keine Regel ohne Ausnahmen), Sie gehören zu jener Sorte Menschen, zu denen ich mich übrigens auch zähle, die einfach nicht entscheiden können, welche Spur sie verfolgen sollten. Das kann böse enden, sehr böse. Indem Sie gar keinen Roman schreiben. Also vergessen Sie jetzt schleunigst, was ich Ihnen vorher über die Vorteile eines generischen Outlines gesagt habe und denken Sie nur an Ihre eine einzige Geschichte, die Ihnen am Anfang dieses Prozesses vorschwebte.
Wissen Sie schon, wie Ihre Welt aussieht?
Kehren wir zurück zu unserem Originaloutline. Ich habe Sie bereits beiläufig auf die eine oder andere Entdeckung über das Universum hingewiesen, in dem unsere Geschichte spielt (bzw. spielen könnte). Jetzt ist die Zeit gekommen, unser Originaloutline genauer unter die Lupe zu nehmen.
Was sagt uns unser Outline über die Welt aus?
- Es gibt eine Marry Me! Brautbörse, auf der ledige, heiratsfähige Frauen
verheiratet werden. - Zumindest die jungen, unverheirateten Frauen dürfen nicht alleine leben und brauchen offenbar einen männlichen Vormund (Vater, Ehemann). Sonst wäre unsere Protagonistin wohl schon längst aus ihrer Sklaverei ausgebrochen.
- Die Stiefmutter scheint keinen männlichen Vormund zu haben. Bedürfen verwitwete Frauen keinen Vormund? Ist sie gar nicht verwitwet, sondern kommandiert ihren Mann (den Vater der Protagonistin) nur rum? Hat sie einen mächtigen Gönner, der ihr die Obrigkeit vom Halse hält? Hat sie die Verantwortlichen mit ihrem Wissen in der Tasche?
- Eventuell existiert Magie in dieser Welt, weshalb die Stadt tatsächlich verflucht sein könnte.
- Vielleicht ist das auch eine alternative Wirklichkeit, wie auch immer diese zustande kam.
- Wir können davon ausgehen, dass es sich dabei um eine Diktatur handelt (Haben Sie schon die vorgeschriebene Paarung vergessen?)
- Hier handelt es definitiv um Patriarchat.
- Je nachdem, welchen Ansatz wir verfolgen, könnte die Stellung der Frauen in dieser Gesellschaft sehr ambivalent sein. Einerseits wird von ihnen allen ernstes erwartet, ihren Männern als Schwert schwingende Leibwächterin zu dienen. Andererseits sind sie nicht rechtsfähig und brauchen einen männlichen Vormund.
- Das Rechtssystem ist offenbar nicht sehr weit entwickelt. Wie wäre es sonst möglich, dass eine Frau aufgrund einer nicht bewiesenen Verleumdung von der einzigen Gelegenheit, einen männlichen Vormund zu bekommen, ausgeschlossen wird?
- Was geschieht mit den Frauen, die keinen männlichen Vormund haben? Es muss ja ein System geben, das sie auffängt. Sozialstaat? Kaum. Frauenhäuser? Armenhäuser? Klöster?
- Was passiert mit den Frauen, für die sich kein williger Mann findet?
- Durchaus denkbar, dass in dieser Gesellschaft Polygamie herrscht. Ein Mann, der es sich leisten kann, mehrere Frauen zu unterhalten, kann mehrere ehelichen. Somit wären sie von der Straße. Bei der „Ausschussware” (s. Punkt oben) könnte so ein Mann eine Art „Entschädigung” erhalten.
- Es scheint eher eine Dystopie zu sein. Wer will in solcher Welt leben?
- Das außereheliche Zusammenleben zwischen einem Mann und einer Frau scheint gesellschaftlich akzeptiert zu sein (Sugar Daddy und seine Mätressen). Immerhin scheint unsere Protagonistin nicht mit ihrem Sugar Daddy verheiratet zu sein. Andernfalls hätte sie sich wegen ihrer schwindenden Jugend nicht so viele Sorgen machen müssen. Es sei denn, die Gesellschaft akzeptiert eine Scheidung, die wahrscheinlich dann nur von einem Mann angestrebt werden darf.
- Sind die Scheidungen in dieser Gesellschaft nicht erlaubt, könnte ich mir vorstellen, dass den ungeliebten Ehefrauen häufiger „Unfälle” zustoßen. Was wiederum für ein unterentwickeltes Rechtssystem sprechen würde.
- Sollte unsere Protagonistin wider Erwarten mit ihrem Sugar Daddy verheiratet gewesen sein, dann muss es für sie eine Möglichkeit geben, mit ihrem Habenichts glücklich zusammen zu sein. Da ich davon ausgehe, dass in dieser patriarchaler Gesellschaft eine Frau keine Scheidung einreichen kann, gäbe es für sie nur einen Ausweg: Mord. Und schon rutschen wir ins Krimi-Fach ab.
- Auch die offensichtliche sadistische Neigung der Stiefmutter, die bisher nicht geahndet wurde, spricht entweder für die Korruption des Systems (wobei die Stiefmutter die Verantwortlichen entweder schmiert oder erpresst) oder für ein unterentwickeltes Rechtssystem, des es egal ist, wer wie wen misshandelt.
- Offenbar gibt es doch noch einen Weg, ohne Brautschau zu heiraten. Wie sonst könnte unsere Protagonistin darauf hoffen, ihren Prinzen zu heiraten, wenn sie zu der Brautschau nicht mehr zugelassen wurde? Hat sie neue Informationen? Sind sie wahr? Was muss sie dafür tun? Muss sie in ein anderes Land auswandern? Gibt es ein weiteres Land???
- Warum ist das Singen und Tanzen für unsere Protagonistin so wichtig, scheinbar wichtiger als die erneute lebenslange Sklavenarbeit im Kloster? Ist das nur pure Lebensfreude oder steckt mehr dahinter? Besitzt sie verborgene Fähigkeiten, die sie nur aktivieren kann, wenn sie singt und tanzt? Sind wir wieder im Reich der Märchen und Magie? Ist unsere Protagonistin eine (Halb-)Nymphe? Ein Waldwesen? Ist das Tanzen und Singen für sie ein Lebenselixier?
- Wenn unsere Protagonistin ein übernatürliches Wesen ist, wie kommt es, dass sie unter Menschen aufwächst? Oder ist die Stiefmutter gar kein Mensch? Was weiß sie von ihrer Herkunft? Wer waren die Eltern unserer Protagonistin? Welche Ziele verfolgt eigentlich die Stiefmutter (abgesehen davon, dass sie offensichtlich sadistische Züge aufweist)? Was ist mit den leiblichen Eltern passiert?
- Warum kann unsere Protagonistin nicht im Geheimen tanzen und singen? Werden sie Tag und Nacht mit Kameras und Mikrophonen überwacht? Warum? Noch ein Argument für Dystopie und Diktatur.
Ok, ich höre jetzt auf.
Ich habe gerade einen Roman in der Arbeit.
Ich habe gerade einen Roman in der Arbeit.
Ich habe gerade einen Roman in der Arbeit.
Ich habe gerade einen Roman in der Arbeit.
Ich habe gerade einen Roman in der Arbeit.
Ich habe gerade einen Roman in der Arbeit.
So, jetzt habe ich mich wieder auf die Spur gebracht. Wo waren wir wieder?
Ach ja,
- Wir haben nun eine fix und fertige Vorlage für eine Geschichte.
- Wir haben die ersten Details zu der Welt, in der diese Geschichte sich abspielt.
- Wir haben uns vielleicht sogar entschieden, in welchem Genre wir unserer Geschichte schreiben wollen.
- Wir haben unseren Kern-Cast (Protagonistin, Antagonistin, Schurken, Love Interest).
- Wir haben Wünsche und Bedürfnisse unserer Charaktere (zumindest einiger), womit wir auch schon …
- … unser Thema hätten.
Im letzten Teil dieser Serie zeige ich Ihnen schließlich, wie leicht so ein generisches Outline sich abwandeln lässt, und zwar nach Genre / Zeit (in der die Geschichte spielt) / Welt, ohne dabei den bisherigen Entwicklungsprozess erneut durchlaufen zu müssen.
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Sie haben eine Anmerkung oder eine Anregung zu diesem Artikel? Ich freue mich über Ihren .