Dokuwiki für Autoren: Ein Ring, um sie alle zu knechten
skip to Article →Hallo, mein Name ist Mira und ich bin ein Cyborg.
Nein, wirklich. Ich bin’s. Und ich find’s gut.
- Haben Sie auch mehrere Kisten und Hefter voller Notizen?
- Wissen Sie noch, welche Schätze sich drin verstecken? (Geben Sie es ruhig zu, Sie wissen es nicht. Es sei denn, Sie sind eine Superheldin mit perfektem Gedächtnis, was ich natürlich nicht in Abrede stellen will … Andererseits, wozu brauchen Superheldinnen mit perfektem Gedächtnis Gedächtnisstützen?)
- Brauchen Sie unterwegs immer genau die Notiz, die Sie in der Kiste links hinten unter Ihrem Bett versteckt haben?
- Nervt es Sie auch, zuerst zig Einstellungen durchführen zu müssen, bevor Sie eine kurze Notiz schreiben können?
- Arbeiten Sie auch regelmäßig auf mehreren Endgeräten (bei mir sind es ein PC, zwei Laptops, zwei Raspberry Pi und ein Tablet; das Ganze garniert mit zwei verschiedenen Windows-Systemen, zwei Linux-Distributionen und einem Android)?
- Fluchen Sie auch (ich gebe zu, ich bin da sehr erfinderisch, was das angeht), wenn Sie etwas gelöscht haben, was Sie im Nachhinein eigentlich ganz gut fanden?
Na, finden Sie sich darin wieder?
Nun stellen Sie sich vor, Sie sind unterwegs, arbeiten konzentriert an Ihrem aktuellen Projekt. Sie kommen zu neuer Szene und stellen fest, dass Ihre Karteikarten dafür sich leider, leider in der Kiste befinden, die Sie ausgerechnet dieses Mal nicht eingepackt haben. Doch anstatt zu fluchen und wildeste Verwünschungen auszustoßen (ich scheine heute nicht ganz ausgeglichen zu sein) lächeln Sie entspannt und klicken auf Ihre lokale Installation von Dokuwiki, die Sie auf einem USB-Stick mit sich mitführen (denn auf WLAN verlassen Sie sich unterwegs längst nicht mehr; und wer will schon sein Geheimprojekt, den nächsten Bestseller ungeschützt über den Äther flattern sehen?).
Sie navigieren also im Browser Ihr Dokuwiki an, klicken auf Ihr Projekt und haben die benötigte Information. Aber nicht nur das! Ihnen fällt ein, dass Sie doch zu diesem einen Stichwort irgendwo schon etwas gespeichert hatten … Wo war das denn? … Hier? Nein. Dort? Wozu suchen, Sie geben den Begriff im Suchfeld von Dokuwiki ein und schon haben Sie eine Liste von Beiträgen, in denen es darum geht.
Das hat Sie noch nicht überzeugt? Schließlich kann Ihr Betriebssystem auch die Dateien nach Stichwörtern durchsuchen. Stimmt. Auch die eingescannten Dokumente, die nur als Bilder vorliegen? Ich würde hier wild umeinander hüpfen, wenn Sie mir ein Programm nennen könnten, das das kann.
Und Dokuwiki soll das können? Nicht wirklich. Doch wenn Sie es unterstützen, dann kann es das. Tut es ständig. Bei mir. Denn ich neige dazu, meine Notizen unterwegs entweder als Audio-Datei aufzunehmen oder als handschriftliche Notiz auf meinem Tablet zu hinterlassen und dann als PDF zu exportieren. Dumm nur, dass weder das Eine noch das Andere sich durchsuchen lässt. Gut, Sie können eine Audio-Datei transkribieren lassen (mein leichter Augsburger Einschlag sorgt immer wieder für Erheiterung, wenn ich mir das durchlese, was Dragon Natural Speaking daraus gemacht hatte), dann liegt sie als Text vor. Sie könnten auch Ihre PDF oder Ihren Scan durch eine OCR-Software jagen (bei meiner Handschrift, die eher einer Kurzschrift ähnelt, wenn ich versuche, meine Gedanken noch rechtzeitig zu Papier zu bringen, nicht wirklich eine Alternative).
Doch für alle Anderen, die nicht so ein mächtiges OCR-Programm besitzen bzw. eine klassische Handschrift ihre eigene nennen können, habe ich einen Tipp: Legen Sie Ihre Dateien im Dokuwiki ab und versehen Sie die entsprechenden Einträge mit Schlagwörtern und kurzen Erklärungen. Das nächste Mal, wenn Sie nach den Stichwörtern suchen, wird dieser Artikel gefunden und somit die darin enthaltenen Dokumente.
Sie klicken sich also durch die Stichwörter, von einem zum nächsten. Ihre Geschichte wird immer dichter, bis … Sie entdecken, dass Ihre Protagonistin unverhofft nicht nur ihre Haarfarbe, sondern auch die Augenfarbe geändert hatte (Check an Sie selber in der To-do-Liste Ihres Dokuwikis: Augenfarbe zurück setzen).
Mit den Stichwörtern denken Sie nicht mehr linear – Sie denken in Netzwerken. Und diese werden immer dichter, je mehr Sie Ihr Dokuwiki füttern.
Sie haben Zeit. Sie gehen Ihre To-do-Liste durch und erledigen eine Aufgabe nach der anderen. Sie ändern die Augenfarbe. Sie ändern alles, was im Zuge dessen ungültig geworden ist. Sie ändern noch mehr. Sie speichern alles. Immer. Sie sind ein verantwortungsvoller Autor.
Dann kommen Sie an die Stelle, wo Sie verstehen, warum die Augenfarbe geändert werden musste. Und nun würden Sie am liebsten schreiend sich in den Allerwertesten treten, denn Sie haben doch alle Änderungen gespeichert ergo Sie haben alles überschrieben!
Na und? Sie holen die alte Version mit der Versionsverwaltung von Dokuwiki zurück. Die Augenfarbe ist wieder das strahlende Veilchenblau (haben Sie jemals veilchenblaue Augen in Natura gesehen? Ich nicht. Andererseits bin ich ein Cyborg. Also könnte irgendwo da draußen auch ein humanoid aussehendes Wesen mit veilchenblauen Augen geben.)
Sie lächeln entspannt und schreiben weiter wie besessen. Die Tasten Ihres Laptops glühen. Sein Akku neigt sich dem Ende zu.
Stunden später, Sie sind inzwischen zuhause, geschafft aber glücklich, entspannt von einer Dusche und einem leckeren Essen (ja, Sie haben dank Dokuwiki Ihre Einkaufsliste tatsächlich dabei gehabt), Ihr Laptop schlummert glücklich verbunden mit seiner Lieblingssteckdose, auch Sie sind nun bettreif.
Ihre flauschige Kuscheldecke lullt Sie ein, Sie driften ab, alles wird schwer und leicht zugleich, Sie schweben – Mann! War das ein Gedanke! Sie schnappen sich Ihr Smartphone …
Ihre Augen werden schwerer, Ihre Augenlider schließen sich, Sie rutschen die Wand entlang, klopfen halb-bewusstlos Ihr Kissen in Form. Sie atmen immer ruhiger, tiefer. Sie schlafen.
Dürfen Sie auch beruhigt tun, denn Ihr Geistesblitz von vorhin ist längst sicher in Ihrem Dokuwiki verwahrt, zusammen mit all den anderen Notizen, die Sie zu Ihrem übernächsten Projekt im Kopf hatten. Irgendwann in ein paar Monaten (oder auch Jahren), wenn Sie zu diesem Projekt kommen, wird spätestens eine Stichwortsuche Ihnen alles offenbaren, was sonst in einer Kiste links hinten dem Kamin verstaubt wäre.
Doch halt! In unserer schnelllebigen Zeit, würden Sie da in ein paar Jahren noch Ihre Notizen lesen können? Wird da nicht die allerneuste Version Ihres Programms schon drei Mal das Format seiner Daten geändert haben, sodass für Sie Ihre Texte von vor zwei Jahren verloren sind?
Nein, denn Dokuwiki erfindet kein neues Format. Es setzt auf Bewährtes. Es setzt auf gute alte Textdateien. Kein Schnickschnack. Nur Text. Gespeichert in einem guten alten Ordnersystem. Keine Datenbank.
Sie wollen eine Datei schnell nachschlagen? Öffnen Sie sie im Dokuwiki oder in einem stinknormalen Texteditor von anno dazumal. Sie wollen Ihre Dateien sichern? Zippen Sie das komplette Verzeichnis (noch besser, benutzen Sie ein Versionsverwaltungssystem wie z. B. Git). Sie haben einen neuen Rechner? Kopieren Sie das Dokuwiki-Verzeichnis darauf, schon läuft es weiter.
Keine umständliche Einrichtung auf dem neuen Rechner. Keine Datenbanken Ex- und Importe. Einfaches, old-school Verzeichnissystem.
Sie würden gerne noch ein Feature mehr haben? Dokuwiki hat eine rege Community, suchen Sie sich das passende Plugin aus.
Es gibt kein passendes Plugin? Programmieren Sie es selbst. Mit ein wenig PHP, CSS und JavaScript kriegen Sie es hin, es gibt genug Doku dazu. (Eine Bitte: Sollten Sie wirklich nur „ein wenig“ PHP können, tun Sie sich ein Gefallen: setzten Sie Ihre Plugins nur in einem privaten LAN ein.)
Ich bin übrigens mit WordPress fertig. Nicht, dass das System schlecht wäre. Es ist nur ein Ungetüm geworden, bei dem es mir vor jedem Update graust. Jedes Mal DB sichern (was bei meinem Provider zwar geht, ich jedoch nie sicher bin, dass da auch wirklich alles gesichert wurde; einmal saß ich mit einer ziemlich zerschossenen WordPress Installation) und im Falle des Falles wieder aufspielen. Der Krampf, eine Kopie der Multilingualen-Version von WP lokal zu installieren (mitsamt aller Dateien und DB), um Änderungen erst im Privaten testen zu können …
Nein, nicht mit mir. Nicht mehr. Ich setzte jetzt Dokuwiki als Blog-System ein. Zwar war es dafür nicht gedacht, doch mit einigen Erweiterungen geht das auch. Und für meine Bedürfnisse (schnell einen Text schreiben können, keine aufwendige Verwaltung und, vor allem!, eine simple Sicherung/Wiederherstellung/Spiegelung der Installation) ist Dokuwiki optimal.
Neben dem öffentlichen Blog verwalte ich meine kompletten Schreibprojekte im Dokuwiki und brauche somit keine externe, zum Teil teurere Programme, die oft nicht einmal auf allen Plattformen laufen, die ich brauche (Sie wissen schon: Windows, Linux, Android). Ich habe es nicht ausprobiert (da ich keinen Bedarf danach hatte), jedoch bezweifle ich, dass die meisten davon mit den zentral im privaten LAN abgelegten Daten zurechtkommen würden.
Was brauche ich? Normalerweise reicht vollkommen ein (W)LAN-fähiges Endgerät (was bei mir auf alle PCs, Laptops, RasPis, Tablets und Smartphones zutrifft), ein schwachbrüstiger Editor (obwohl mir einer mit Reitern und vor allem mit RegEx lieber ist) und eine externe Tastatur (die zu jedem Endgerät passt und, weil sie so klein ist, überall mitgenommen werden kann, sodass selbst mein in die Jahre gekommenes Tablet plötzlich ein vollwertiger Arbeitsplatz wird).
Und sollte es mal wirklich passieren, dass ich unterwegs bin, dann schalte ich entweder einen Zugang zu meinem privaten LAN frei (was ich äußerst ungern tue) oder ich nehme den Datenträger einfach mit. Nun habe ich zwei Optionen: Entweder ich arbeite mit einem Editor direkt auf den Dateien (Sie erinnern sich, Dokuwiki speichert alles in plain-old-Textdateien ohne Schnickschnack), was sich beim Arbeiten am Tablet anbietet, oder ich starte den von Dokuwiki mitgelieferten Mini-Server und arbeite darauf über Browser, was bei einem Laptop als Arbeitsmittel gut möglich ist.
Ich habe die Wahl. Sie auch?
Ihre Mira Alexander
P.S.: Neben den kompletten Schreibprojekten, Projektvorlagen, Arbeitsblättern, Checklisten, Recherche-Material (sowohl im Netz gefundene Links als auch lokal gespeicherte und verschlagwortete Bilder, Texte, Audio- und Video-Dateien) und kurzen Notizen, die anscheinend so gar nirgendwohin gehören, findet sich dort auch das eine oder andere Koch- oder Backrezept, das vielleicht in einem meiner Schreibprojekte einmal eine Rolle spielen wird. Dann wird es verlinkt. Wie alles, was ich in meinem Dokuwiki speichere. Denn mein Dokuwiki ist sozusagen die Swap-Partition meines Gehirns, eine Erweiterung meines biologischen Ichs in der virtuellen Welt, ein verlinktes neuronales Netz … Ich bin ein Cyborg.
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